Freitag, 20.09.2013
Neulich in der Appenzeller Zeitung
Da hab ich doch neulich einen Text „Zum Sonntag“ für die Appenzeller Zeitung geschrieben. „Neulich in der Quantenphysik“. Zugegeben: Der Text war nicht ganz einfach. Die Thematik auch nicht.
Und da kam dann eine befreundete ältere Dame und sagte zu mir: „Ach, Lars, da hast du wieder was Intelligentes geschrieben. Ich habe kein Wort verstanden.“ Und dann ich zu ihr: „Mach dir nichts draus. Ich habe dafür 20 Jahre gebraucht und bin immer noch ganz am Anfang des Verstehens.“ Und dann sie zu mir: „Ich habe aber keine 20 Jahre mehr.“
Das hat mir zu Denken gegeben. Nun müssen wir ja glücklicherweise nicht alles verstehen, was in der Naturwissenschaft verstanden werden könnte. Aber interessant ist es schon. Und weil das andere Menschen aus unserer Kirchgemeinde noch viel mehr interessiert als mich, fand dann im Laufe der Tage ein E-Mail den Weg zu mir. Der Schreiber, ein befreundeter Astronom und Pizzaliebhaber, hat mir ein schönes Zitat geschenkt, das ich gerne teilen möchte. Er verwies auf ein Gespräch von Werner Heisenberg mit Niels Bohr. Da waren zwei der ganz grossen Physiker des vergangenen Jahrhunderts unter sich. Und während sie so über die Theorien der modernen Physik plauderten, sagte Bohr: „Das Gegenteil einer richtigen Behauptung ist eine falsche Behauptung. Aber das Gegenteil einer tiefen Wahrheit kann wieder eine tiefe Wahrheit sein.“
Wenn ich gut verstanden habe, zeigt uns die moderne Physik, dass wir diese angeblichen Widersprüche, mit denen sie uns konfrontiert, nicht einseitig auflösen können. Sie erklärt uns, dass wir diesen Zwiespalt, diese Ambivalenz, auszuhalten haben, wenn wir wenigstens in Ansätzen die Wirklichkeit, die uns umgibt, beschreiben möchten. Mich hat das alles mehr und mehr an Dorothee Sölle erinnert und an ihre Rede von Gott. Sie liebte die paradoxe Rede. Ihr liebster Ausdruck für Gott war: „Du stilles Geschrei.“ So hat sie versucht, mit kühnen Sprachbildern, die untauglichen Mittel einer logischen und chronologischen Sprache auf eine andere Ebene zu heben. Denn was in der Physik gilt, gilt auch in der Theologie: „Das Gegenteil einer tiefen Wahrheit kann wieder eine tiefe Wahrheit sein.“
Lars Syring
Pfarrer in Bühler