Reformierte Kirche Bühler

Freitag, 03.06.2016

Neulich beim Träff

Unsere Vikarin hatte vor zwei Wochen ein Spiel mit zum Träff gebracht. Ein Spiel, das die jungen Erwachsenen zum Diskutieren anregen sollte. Ein tolles Spiel. Das klappt nämlich tatsächlich. Der Spielleiter liest Fragen von einem Kärtchen vor, und die MitspielerInnen heben ihre Antwortkarte hoch. Entweder "Ja" oder "Nein". "Vielleicht" oder "Weiss nicht" gibt es bei diesem Spiel nicht. Auch keine Grauzonen oder Differenzierungsmöglichkeiten.

An jenem Donnerstagabend war ich der Spielleiter. Ich habe eine Karte vom Stapel gezogen und folgende Frage vorgelesen: "Wenn du wüsstest, dass du in einem halben Jahr sterben müsstest: Würdest du dann so weiter leben wie bisher?"

Die Antwort der jungen Menschen hat mich sehr überrascht. Alle, aber auch wirklich alle zogen ihre "Nein"-Karte. Sofort. Ohne zu zögern. So weiterleben wie bisher wollten sie nicht. Dann entspann sich ein Gespräch über ihre und meine Lebenssituation. Ich fand, es sei dringend an der Zeit, das Leben zu ändern, wenn sie so unzufrieden sind. Damit zu warten, bis die Todesnachricht kommt, sei doch nun wirklich schade. Und wenn ihr derzeitiges Leben so schlimm sei, hätten sie als junge Menschen doch noch alle Möglichkeiten. Sie seien in der Ausbildung oder im Beruf und müssten halt auch Sachen machen, die sie nicht so toll fänden, rechtfertigten sie sich. Ob es im Leben je anders sein kann? Selbst wenn alles ideal läuft? Es scheint in keinem Leben immer nur die Sonne. Und der Regen ist lebensnotwendig, auch wenn er manchmal nervt. Um die schönen Momente geniessen zu können, braucht es auch die alltäglichen. Was sie denn daran hindere, so zu leben, wie sie es gerne würden? Ich wollte wissen, welche Ziele sie haben. Und welche Träume. Wofür es sich zu leben lohnen könnte.

Ich würde mein Leben nicht ändern, wenn ich wüsste, dass ich in einem halben Jahr sterben müsste. Vielleicht würde ich nochmal zwei Wochen Extraurlaub am Meer machen. Aber nicht einmal da bin ich mir sicher. Ich lebe gerne. Und ich lebe gerne so, wie ich jetzt lebe. Klar: vielleicht würde ich noch dieses tun und jenes lassen. Aber summasummarum?

Und wie ist das bei Ihnen? Wenn Sie wüssten, dass Sie nur noch ein halbes Jahr zu leben hätten: würden Sie weiterleben wie bisher?

Lars Syring

Pfarrer in Bühler